Nicht nur Ersthelfende sind rechtlich immer wieder verunsichert und haben Angst vor juristischen Konsequenzen. Doch ist diese wirklich berechtigt? Tanja Melzer hat in der Folge 2.7. von Retterview zu vielen solcher Fragen Rede und Antwort gestanden.
Wer im Sanitätsdienst, der Feuerwehr, im Rettungsdienst oder der Polizei wirkt ist im Gegensatz zum „Normalbürger“ gesetzlich noch mehr verpflichtet zu helfen und kann sogar bei Unterlassen für alle Konsequenzen zur Verantwortung gezogen werden. „Da steht ganz schnell auch die Körperverletzung oder fahrlässige Tötung durch Unterlassen im Raum“, erklärt Tanja Melzer. Sie ist Rechtsanwältin für Straf- & Zivilrecht sowie Verkehrsrecht und vertritt KollegInnen des Rettungsdienstes deutschlandweit. Mit ihren Online- sowie Präsenzkursen zum Thema Recht reist sie in Leitstellen, Schulen und Wachen, um für rechtliche Aufklärung zu sorgen.
Ist es ausreichend als Zivilist die 112 zu wählen und damit seiner gesetzlichen Pflicht nachgekommen zu sein?
Nein, es ist nicht ausreichend!
Ich finde es erschreckend oder auch traurig teilweise, dass es diesen Mythos immer noch gibt.
Also es ist ausreichend, ich ruf die 112 an und alles ist gut. Wie der Gesetzestext es ja sagt, “was ihm den Umständen nach zuzumuten ist”. Der Gesetzgeber hat bewusst eine weite Formulierung gewählt. Weil es eben subjektiv individuell ist.
Und wir sind uns einig, das wird natürlich einen Unterschied machen, wenn dort eine ältere Dame mit einem Rollator mit 84 Jahren an einem Verkehrsunfall vorbeikommt. Dass diese Dame jetzt vielleicht gar nicht selbst zur, nehmen wir den schlimmsten Fall, Reanimation anleiten kann, bzw. die sie selbst durchführen kann, da sind wir uns einig.Der Gesetzgeber sagt ja auch, man muss sich nicht selbst in Gefahr bringen. Das ist klar, Eigenschutz geht vor, auch bei den Ersthelfern. Und selbstverständlich muss man auch keine anderen Pflichten verletzen, wie zum Beispiel die Aufsichtspflicht der eigenen Kinder. Aber die meisten haben ja Angst etwas falsch zu machen. Und keiner weiß das besser wie Ihr: das Schlechteste, was man machen kann, ist nichts zu machen. Darauf stehen dann per $323c StGB Freiheits oder Geldstrafe
Schlimmer – vor allem formuliert – wird es dann ja nur noch mit der “Garantenpflicht” und dem §13 StGB für Sanitäter, Feuerwehrleute …oder?
“Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem [Straf-]Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.” – §13 (1) Strafgesetzbuch
Ich sage auch immer in den Fortbildungen: es ist so schlecht formuliert! Ja, man ist mehr verpflichtet zu helfen als Garant sprich Sanitätsdienstler oder Rettungsdienst Person im Dienst. Man ist geschulter und kann erwarten zu wissen: “okay, der Patient hat jetzt Symptome eines Schlaganfalls und Time is Brain und wir müssen jetzt schnellstmöglich den Notruf absetzen und der Patient muss in eine Klinik transportiert werden.“
Und wenn ich als Ersthelfender nun jemanden eine Verletzung zufüge z.B. bei der Stabilen Seitenlage den kleinen Finger breche?
Strafrechtlich gesehen, wenn du ihm den kleinen Finger brichst, wäre es eine fahrlässige Körperverletzung.
In der Tat, müssen wir darüber reden:
Zivilrechtlich gesehen, Schadenersatz-Schmerzensgeld, sind wir in diesem juristischen Konstrukt der sogenannten GOA, so nennen die Juristen das, Geschäftsführung ohne Auftrag. Das heißt, du bist hier letztendlich geschützt, auch als Helfer, wenn deine Hose, dein Handy kaputt geht oder wenn du den Patienten verletzen solltest. Paragrafenkombination 677, 683, Satz 1 und 670, bürgerliches Gesetzbuch[…].
Im weiteren Gespräch mit Tanja wurde dann speziell auch noch auf das Notfallsanitätergesetz, Neuerungen darin und Rechtliche Pflichten. Außerdem gehen Mike, Tanja und Chris auf die Straßenverkehrsordnung ein, besonders auf die Sonder- & Wegerechte.
Tanja Melzer
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